logo st benedikt

Aus aktuellem Anlass und Sorge:

Ein Blick auf den Nahost-Konflikt von Diakon Stefan Gehringer

 

»Erbittet für Jerusalem Frieden! / Wer dich liebt, sei in dir geborgen. Friede wohne in deinen Mauern, / in deinen Häusern Geborgenheit.«, so steht es im Psalm 122.

Diese Tage führen schmerzlich vor Augen, wie unendlich weit der Frieden von Jerusalem, ja von ganz Israel und Palästina entfernt ist; so unfassbar viel Hass und Gewalt! Die Bilder aus Israel, kaum auszuhalten, sie machen fassungslos und betroffen.

Am 21. Oktober wollten wir uns mit 29 Pilgerinnen und Pilgern aufmachen, um das Heilige Land mal anders zu erleben; unterwegs sein auf den Spuren Jesu und dabei immer wieder ins Gespräch kommen mit Menschen in Israel und Palästina – Juden, Christen, Muslime –, Menschen, die sich unermüdlich für den Frieden einsetzen.

Die aktuelle Eskalation von Gewalt und Terror in Israel macht es aktuell leider unmöglich, dieses wunderschöne Land zu bereisen. Doch die Enttäuschung darüber, dass wir unsere Reise verschieben müssen, bedeutet gar nichts im Vergleich zu dem, was gerade vor Ort geschieht, was Menschen dort erleiden müssen, Israelis und Palästinenser, Männer, Frauen und Kinder. Das Töten geht unfassbar weiter!

Der brutale und menschverachtende Angriff der Terrorgruppe Hamas auf Zivilisten in Israel lässt sich durch nichts rechtfertigen. Was mich zusätzlich mit großer Sorge erfüllt ist, dass die ganzen Welt jetzt wieder in den Nahen Osten schaut, allerdings wohl nur so lange, wie der aktuelle Krieg andauern wird; doch was wird danach sein? Wann wird die Weltgemeinschaft den Konflikt nicht nur einseitig, sondern mit seiner ganzen Komplexität erfassen (wollen)?

Zwei Reisen, ein Ziel, unterschiedliche Perspektiven!

Eines ist klar und unumstößlich, Antisemitismus darf es nicht geben, überall wo der Hass gegen Juden laut und tätlich wird, überall wo der Terror der Hamas auf Israel bejubelt, gefeiert und bejaht wird, müssen klare Grenzen gezogen werden. Gleichzeitig gilt es mit ebenso deutlicher Stimme auch die Unterdrückung und Verfolgung des palästinensischen Volkes klar zu benennen und zu verurteilen. Die meisten Palästinenser sind keine Freunde der Hamas! Solidarität darf in diesem Konflikt nicht nur einer Seite gelten, Frieden und Menschenwürde muss es für alle geben.

2014, bei meiner ersten Reise ins Heilige Land, wurden wir von einem israelischen Tourguide geführt, sein Name war Ariel; ich stand nach der Reise sogar noch einige Zeit mit ihm in Kontakt. Er – ein ehemaliger Offizier der israelischen Armee – konnte mir damals gut verständlich machen, was die größte Angst der Israelis ist. Es ist die Angst, dass der Staat Israel durch einen Krieg vernichtet wird, und es dann nie wieder die Möglichkeit einer Staatsgründung geben wird. Pure Existenzangst, damit erklärte er alles militärische Handeln Israels. Ariel kommt mir gerade in diesen Tagen, wo die Gefahr eines kriegerischen Flächenbrandes in Israel real besteht, immer wieder in den Sinn.

Während meines damaligen Aufenthalts, fand auch ein Attentat auf den israelischen orthodoxen Aktivisten und Rabbiner Jehuda Glick statt, der bei diesem Angriff lebensgefährlich verletzt wurde. Am gleichen Abend und tags drauf war unsere Pilgergruppe (wir waren zu keiner Zeit in Gefahr) Zeugen der Geschehnisse in Jerusalem: Jubelnde Palästinenser in Bethlehem; Meldung, dass ein Verdächtiger Palästinenser auf der Flucht erschossen wurde; Israel sperrte umgehend nach der Tat den Tempelberg; der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, verurteilte diese Sperrung als „Kriegserklärung“; Palästinenser gingen auf die Straße und protestierten; aufsteigender Rauch von zahlreichen brennenden Barrikaden aus Autoreifen gehörten an diesem Tag zum Stadtbild von Jerusalem.

Bei meiner zweiten Reise ins Heilige Land 2019, zusammen mit dem Nahost-Kenner Johannes Zang aus Goldbach, lernte ich dann die andere Seite des Konflikts kennen, das unsägliche Leid der fünf Millionen Palästinenser im Gazastreifen und Westjordanland, deren Besatzungsalltag u.a. aus Landenteignung, Verhaftungen und oft tödlich endenden Razzien besteht. Bewegungseinschränkungen, Hausabrisse und dadurch entstehende Obdachlosigkeit sind weitere Aspekte in diesem Konflikt. Was bleibt ist eine junge palästinensische Generation ohne echte Perspektiven für ein menschwürdiges Leben.

Gewalt erzeugt immer Gegengewalt!

Keine Lösung in Sicht, und dennoch…

Ein Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht, die Zwei-Staaten-Lösung wohl kaum noch zu verwirklichen; so bleibt am Ende das Gefühl der Ohnmacht angesichts aller Gewalt und Unversöhnlichkeit in dem Land, in dem einst Gott Mensch wurde. Und dennoch, es gibt bei all dem Leid und dem Gefühl, dass der Konflikt nie enden wird, hoffnungsvolle Perspektiven. Es gibt viele Menschen, die sich in unterschiedlichen Projekten für den Frieden einsetzen, einer davon ist der christliche Palästinenser Daoud Nassar vom Projekt „Tent of Nations“. Das Credo von ihm und seiner Familie ist: »Wir weigern uns, Feinde zu sein«!

20191026 155507

 

 

 

 

Dann ist da z.B. die Organisation „Parents Circle Families Forum“ (PCFF), eine Organisation palästinensischer und israelischer Familien, die durch den Konflikt unmittelbare Familienangehörige verloren haben. Die PCFF arbeitet nach dem Prinzip, dass ein Prozess der Versöhnung eine Voraussetzung für die Erreichung eines dauerhaften Friedens ist.

(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Parents_Circle-Families_Forum)

So Gott will, dürfen wir uns im kommenden Jahr auf den Weg machen ins Heilige Land, nach Israel und Palästina, um so unsere Solidarität mit den Menschen dort zu bekunden, Israelis und Palästinenser, Christen, Juden und Muslime, die guten Willens sind und nur eins wollen, im Frieden leben. Machen wir uns immer wieder neu bewusst, was für ein Privileg es ist, im Frieden leben zu dürfen.

Was wir tun können?

Das Wichtigste, nicht nachlassen im Gebet um Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde, für alle Menschen auf der ganzen Welt; in diesen Tagen vor allem für die Menschen in Israel und Palästina. Beten wir auch für die vielen Männer, Frauen und Kinder, die in Israel und im Gazastreifen dem Terror zum Opfer gefallen sind.

Gebet um Frieden für die Menschen in Israel und Palästina

Angesichts der anhaltenden Kämpfe und Gewalt im Nahen Osten bittet Bischof Dr. Franz Jung alle Gläubigen im Bistum Würzburg um ihr Gebet für den Frieden im Heiligen Land.

Du Gott des Friedens und der Gerechtigkeit! Du hast den Menschen diese Welt anvertraut in gegenseitiger Sorge und Verantwortung. In deinem Sohn Jesus Christus bist du Mensch geworden, damit dein Reich unter den Menschen Gestalt gewinnen kann und Friede und Gerechtigkeit werde. Mit dem Heiligen Geist ist uns dein Beistand geschenkt, der uns den Weg des Friedens und der Verständigung weist. Wir sind betroffen über die Eskalation von Terror und Gewalt in dem Land, das wir als Heiliges Land bezeichnen und mit dem wir uns in besonderer Weise als Ursprung unseres Glaubens verbunden fühlen. Wir denken an die vielen Opfer, die getöteten Kinder, Frauen und Männer in Israel und im Gazastreifen. Wir bitten dich: Sende deinen Geist, der blinden Hass überwindet, Wege aus der Gewalt zeigt und die Herzen der Menschen öffnet füreinander statt gegeneinander. Bestärke die Verantwortlichen in Israel und der arabischen Welt, den Weg der Annäherung fortzusetzen und Lösungen für ein friedliches Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen im Heiligen Land zu finden. Hilf, dass die Gewalt im Nahen Osten nicht zu neuem Antisemitismus führt und wir unseren jüdischen Geschwistern im Glauben in diesen schweren Tagen zur Seite stehen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen

 

Bleiben wir mit den Menschen in Israel und Palästina im Gebet und in der Forderung nach Frieden unermüdlich verbunden.

Shalom - Salam - Pace - Frieden

Diakon Stefan Gehringer

 

P.S. Herzliche Einladung zum Vortrag mit Daoud Nassar vom Projekt „Tent of Nations“ am 14.11. Wir hoffen sehr, dass es Daoud möglich sein wird, diese Vortragsreise anzutreten.

­